Erstgespräch

Coaching, Training und Beratung bei Corona und Co.

Der grassierende Corona-Virus stellt vieles auf den Kopf. Aus Angst vor einer Infektion ihrer Mitarbeiter beschränken viele Unternehmen die Reisetätigkeit und persönliche Meetings auf das absolute Minimum. Als eine der ersten Berufsgruppen bekommen wir Trainer, Coaches und Berater die Absagen und Terminverschiebungen zu spüren.

Coachings, Workshops und Beratungsgespräche werden noch vor Dienstreisen und Meetings abgesagt. Jeder Kollege, mit dem ich derzeit spreche, hat Terminabsagen und -verschiebungen bekommen.

Wie gut, dass es (nicht nur) im Coaching-Bereich viele Alternativen zum klassischen eins-zu-eins Präsenz-Coaching gibt.

Ich bin eine große Befürworterin des Coachings und der Beratung am Telefon.
Über Distanzen und Grenzen hinweg, coache ich zu fast 95 Prozent per Telefon. Als Sehende würde ich vermutlich das Video-Coaching über Skype oder sonstige Kommunikationssoftware bevorzugen, damit ich auch hier mein Gegenüber im Blick haben könnte.

Als blinder Coach bringt mir die visuelle Kommunikationskomponente nichts. Zudem bin ich es gewohnt, durch die Konzentration auf die sprachlichen Nuancen, meine Information über das Auditive aufzunehmen. Wortwahl, Satzbau, Sprechmelodie und Rhythmik, Pausensetzung, Artikulation und Stimmklang verraten mir viel über mein Gegenüber. Mimik und Gestik sind eben „hörbar“.

Auch manche sehende Kollegen stellen den Nutzen des visuellen Aspektes im Video-Call in Frage.
Neue Erkenntnisse festigen den Mehrwert des Online-Coachings. Wie Thomas Webers und Sonja Fröhlich berichten, hat Elke Berninger-Schäfer bereits 2018 in „Online Coaching“ (Springer-Verlag) eine „erhöhte Selbstoffenbarungsbereitschaft in der virtuellen Kommunikation“ beobachtet. Die geborgene Anonymität der Online-Medien ist sogar gegeben, auch wenn das virtuelle Gegenüber bekannt ist.

Dennoch spaltet der Einsatz der neuen und alten Medien die Coaching- und Berater-Welt. Viele Coaches und Berater betrachten dabei die räumliche Nähe als einzig wahrer Weg. Die grundsätzliche Frage lautet: „Wieviel räumliche Nähe brauchen Coach und Coachee bzw. Berater und Kunde?“ Wenn ich als Coach nicht auf die visuellen Schiene fixiert bin, erschließt mir das viel mehr über meinen Kunden. Dann spielt auch die Nähe-und-Distanz-Frage eine untergeordnete Rolle und ich eröffne mir ungeahnte Freiräume.

Ich teile die Meinung des deutschen Philosophen und Naturforschers Lorenz Oken: „Das Auge führt den Menschen in die Welt, das Ohr führt die Welt in den Menschen ein.“ Hören ist für mich im Beratungsprozess wichtiger als Sehen. Dennoch verstehe ich meine visuell-betonten Kollegen gut. Ihr Hörsinn ist noch ausbaufähig. Sehende Menschen nehmen 80 Prozent ihrer Information über die Augen auf. Da ist das Gehör oft nur Beiwerk.

Online-Beratungen oder Telefon-Coachings bieten auch weitere Vorteile. Virtuell ist ein kleinschrittiges Arbeiten mit vielen kurzen Sequenzen leichter möglich, als wenn sich eine lange Sitzung vor Ort rentieren muss, vor allem nach etwaiger langer Anreise zum Kunden.
Mit maximal 90 Minuten Telefonat erreiche ich meine Kunden auch ohne Ablenkungen und Reisestress. Ich coache und berate dabei nicht zwischen Tür und Angel, sondern setze meine Zeit und Zuwendung bewusst für mein Gegenüber ein. Mit Headset und ohne sonstige Ablenkungen tauche ich in das Gespräch ein und bin komplett dem Kunden zugewandt. Dieser spürt die bedingungslose Aufmerksamkeit und meldet mir die als immensen Mehrwert in der Regel auch zurück.

Auch bieten Chats, Voice-Mail oder WhatsApp-Sprachnachrichten gute Möglichkeiten, mit dem Kunden asynchron zu arbeiten. Durch das zeitversetzte Adressieren einzelner Aspekte werden kleine Schritte und Themen oder einzelne Aufgaben thematisiert.

Neben diesem umfassenden Bearbeiten eines Themas ist mir auch noch ein anderer Aspekt wichtig: Ohne großen Energieaufwand, ohne CO2-Ausstoß bei der An- und Abreise, bin ich meinem Kunden nah. Und wir beide genießen unsere gewohnte Umgebung und Technik sowie das Lieblingsgetränk oder den eigenen bequemen Sessel.

Für mich gibt es einzig bei der Gruppenarbeit eindeutige Vorteile beim Präsenz-Formaten, da hier die Interaktion der Teilnehmer und das Team-Gefüge eine wichtige Rolle im Prozess spielt. Dieses ist für alle Beteiligten online nur bedingt nachvollziehbar.

Erstveröffentlichung und Copyright (c) 2020, Astrid Weidner.
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