Erstgespräch

Blogserie „Müssen“ 3/4: „Ich muss noch…“

Wie Sie Stress in Ihr Leben bringen

Einen Teil der destruktiven Wirkungsweise von ich muss haben Sie bereits im vorigen Beitrag erfahren. Die kleine, tückische Phrase mindert die Glaubwürdigkeit des Sprechers, rückt ihn in eine jammernde Opferrolle und lässt ihn Anspannung und Abweisung vermitteln. Nun zur weiteren Wirkung.

Diese vollzieht sich auch auf der grammatischen Ebene. Müssen ist ein Modalverb, es verändert also die Bedeutung des Verbs im Satz. Modalverben lenken die Aufmerksamkeit weg vom Vollverb, von der Handlung, hin zum Modalverb. Während müssen einen Zwang ausdrückt, betonen andere Modalverben dürfen und können beispielsweise die Erlaubnis beziehungsweise die Fähigkeit oder Möglichkeit, etwas zu tun. Sagt jemand zum Beispiel „Ich muss das Controlling anrufen“, geraten der geplante Anruf und dessen Umsetzung aus dem Fokus. Die Aufmerksamkeit gilt stattdessen der Haltung des Sprechers zu diesem Anruf. Bei ich muss ist das der bedrückende Zwang. Selbst wenn der Anruf dem Sprecher Freude bereitet, ist diese freundliche Haltung kaum zu spüren.

Außerdem holt ich muss die Last der Zukunft in die Gegenwart. Indem Menschen am Abend aufzählen, „Morgen muss ich dieses und jenes tun“, bringen sie den Druck und die Plagerei des nächsten Tages ins Hier und Jetzt und sich selbst um den erholsamen Schlaf.

Jenseits all dieser Überlegungen gibt es Dinge, die notwendig sind, und die wir letztendlich doch tun müssen. Diese Pflichten und damit einhergehenden Zwänge leiten sich in der Regel aus einem unserer Entschlüsse ab. Sie sind insofern nur Konsequenzen, die wir wissentlich oder unwissentlich mit unseren Entscheidungen herbeigeführt haben.

Es bleiben die Zwänge, die wir tatsächlich nicht umgehen können und mit denen uns das Leben oder Andere plagen. Denken Sie an folgendes Beispiel von unumgänglichen Erblasten: Sie beginnen bei einer neuen Arbeitsstelle. Ihr Vorgänger hat Ihnen eine Menge aufgelaufene Projekte und versteckte Lasten in der laufenden Umstrukturierung hinterlassen. Sie hatten hierauf keinen Einfluss und haben nun keine andere Wahl, als dort weiterzumachen, wo Ihr Vorgänger aufgehört hat. Hier gilt: Lassen Sie uns unser Leben mit ich muss nicht schwerer als nötig machen.

Im nächsten Beitrag erfahren Sie, wie Sie ich muss erfolgreich wandeln und hinter sich lassen.

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