Im vorigen Beitrag haben Sie einiges über Girlandensätze und Satzbrüche gelesen. Heute erfahren Sie mehr über zwei andere kraftraubende Satztypen, die uns im Alltag häufig begegnen[1]:
Schachtelsätze packen viele Gedanken in Form von Nebensätzen und Einschüben in einen einzigen Satz. Dabei haben die Sprecher mehrere Gedanken und Bilder gleichzeitig präsent. Sie unterbrechen einen Gedanken, um den nächsten einzuführen.
„Ich habe Stress, weil meine neue Aufgabe, die ich vor drei Wochen übernommen habe, für mich, wie zu erwarten war insbesondere organisatorisch, ich stimme mich mit vielen Partnern ab, und inhaltlich, ich arbeite mich in ein vollständig neues Aufgabengebiet ein, eine große Herausforderung ist.“
Verschachtelte Sätze zwingen auch das Gegenüber, mehrere Bilder gleichzeitig zu formen. Und in all dem Durcheinander bleiben einzelne Bilder unvollendet. Die Zuhörer stehen vor der Aufgabe, die halbfertigen Informationen zwischenzuspeichern und dann später die Vervollständigung zu leisten. Auf diese Weise sind lange und verschachtelte Sätze anspruchsvoll und kraftraubend – selbst, wenn sie wie im obigen Beispiel vollständig und korrekt sind.
Dabei lassen sich selbst hochkomplexe Sachverhalte mit einem gut aufnehmbaren Satzbau versehen.
In Sätzen ohne Subjekt fehlt ein zentraler Bestandteil des Satzes. Häufig tilgen Menschen in Berichten von sich selbst das Ich. Sie gebrauchen es nur im ersten Satz und sprechen danach in Sätzen ohne Subjekt.
„Habe ich zurzeit einen Stress, habe vor drei Wochen eine neue Aufgabe übernommen. Bin insbesondere organisatorisch und inhaltlich gefordert. Habe das auch so erwartet. Stimme mich mit vielen Partnern ab. Und arbeite mich in völlig neues Aufgabengebiet ein.“
(Beim Schreiben dieses Beispiels bemängelte sogar die Textverarbeitungssoftware einen Grammatikfehler und empfahl: „Ergänzen Sie das Subjekt.“)
Beim Bericht von sich selbst ist logischerweise „Ich“ das korrekte Wort. Tritt diese Überbetonung von „Ich“ unangenehm in Erscheinung, ist es jedoch nicht damit getan, den Satz zu verändern und das Ich wegzulassen. Stattdessen ist es sinnvoll, den Inhalt des Gesagten zu überprüfen – also, ob die Nennung der eigenen Person zur Situation passt.
Ein Phänomen im Sprachgebrauch erfolgreicher Menschen ist: sie verwenden „Ich“ seltener als weniger erfolgreiche Menschen. Das ist ein anderes Thema und hat mit der Tilgung des Subjekts üblicherweise nichts zu tun. Menschen, die als erfolgreich gelten, lassen das „Ich“ oft weg, da sie in ihren Ausführungen den Fokus auf andere Dinge als sich selbst legen – zum Beispiel auf Aufgaben, Ziele oder andere Menschen. Sie haben also ein Subjekt in ihren Sätzen.
Die „Tilgung des Subjekts“ bezieht sich vor allem auf Menschen, die die übermäßige Verwendung von „Ich“ vermeiden, um nicht egozentrisch zu wirken. So gebrauchen sie allerdings kein Subjekt und stehen nicht zu dem, was sie von sich selbst erzählen.
In den Ohren vieler Menschen klingen die vier Satzarten dieses und des vorigen Beitrags – Girlandensätze, Schachtelsätze, Satzbrüche und Sätze ohne Subjekt – normal und gebräuchlich. Beispiele kennt jeder aus eigener Erfahrung. Empfinden wir Gesprächspartner als anstrengend, ist meist einer dieser Satztypen mitbeteiligt. Die mit ihnen einhergehende Dauerlast im Alltag macht sich oft nur unter der Oberfläche des Bewusstseins bemerkbar.
Wie sich die Wirkung konkret entfaltet, lesen Sie im nächsten Blogbeitrag. Bis dahin wünsche ich Ihnen ein frohes Entwirren der Verschachtelungen!
[1] Vgl. von Scheurl-Defersdorf, Mechthild R.: In der Sprache liegt die Kraft! Klar reden, besser leben, Freiburg: Herder, 2011, S. 164ff.
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