Erstgespräch

#37 Dürfen

Sie dürfen jetzt in Zimmer 1 gehen.

Zwischen Erlaubnis und Auftrag


Wenn Sie das nächste Mal in einer Arztpraxis sind, hören Sie genau zu. Wetten: Es fallen Sätze wie „Sie dürfen jetzt noch im Wartezimmer Platz nehmen.“ oder „Sie dürfen mir das hier noch unterschreiben.“

Das Wort „dürfen“ gehört zu den Modalverben.[1] Diese modifizieren die Bedeutung der Hauptverben. In unseren Beispielen werden „Platz nehmen“ und „unterschreiben“ verändert. Der Sprecher verlagert den Fokus von der Handlung auf die Erlaubnis.

Dürfen ist ein Wort der Macht zwischen Verbot und Erlaubnis. Das Erteilen von Erlaubnis und Verbot ist nur dort sinnvoll, wo es dem Sprecher zusteht. Wer etwas im Hoheitsraum des anderen erlaubt oder verbietet, überschreitet Grenzen. In hierarchischen Beziehungen und allgemein im beruflichen Kontext reagieren Menschen aus guten Gründen besonders empfindlich auf diese Übergriffe.

An folgenden Stellen passt dürfen: „Mama, darf ich ein Eis haben?“. Oder, wenn Menschen mir Hilfe anbieten: „Darf ich Sie am Arm anfassen?“

Tipp:

Verwenden Sie „dürfen“ nur, wenn die Erlaubnis für das Thema angemessen ist. Handelt es sich um einen Auftrag oder eine Bitte, dann formulieren Sie entsprechend – ohne falsche Erlaubnis.

Alternative Formulierungen:

„Bitte nehmen Sie noch einige Minuten im Wartezimmer Platz.“

„Ich brauche von Ihnen hier noch eine Unterschrift.“

Lassen Sie die gesprochene Sprache wie Musik in Ihren Ohren klingen.


[1] Siehe auch Sprachtipp #26: Modalverben

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