Erstgespräch

Nr. 2: „Eigentlich“

Von Halbwahrheiten und Unklarheiten


„Mir geht es eigentlich ganz gut.“

„Brauchen wir dafür nicht eigentlich die Zustimmung der Geschäftsführung?“

„Eigentlich sollten wir damit warten.“

Eigentlich bedeutet ursprünglich „leibeigen“ und wurzelt im Wort eigen, also „zugehörig“ oder „selbstständig“. Wörter aus der Familie eigen unterstreichen die Merkwürdigkeit oder Unabhängigkeit: eigenhändig, eigentümlich, eigenwillig, ein ganz eigener Mensch.[1]

Heute lässt sich eigentlich auf drei Arten verwenden. Wir fokussieren hier nur eine davon: die adverbiale. Als Adverb bedeutet eigentlich „in Wirklichkeit“ oder „im Grunde“[2]. Dieser Gebrauch vermittelt allerdings den Eindruck, dass das, was ein Sprecher sagt, nicht wahr ist. Es entsteht ein Widerspruch zwischen dem, was scheint, und dem, was tatsächlich ist. Die Zuhörer sind verwirrt und vermuten noch eine zweite Botschaft.

Wie steht es um jemanden, dem es „eigentlich ganz gut“ geht? Gut oder schlecht? Beides ist möglich. Und wie ernst nimmt jemand die Aussage, dass es „eigentlich“ die Zustimmung der Geschäftsführung braucht? Die Versuchung liegt nahe, dies als optional zu betrachten. Und wer „eigentlich“ keinen Kaffee mehr trinken sollte, hat schon fast wieder die Kanne in der Hand.

Tipp

Lassen Sie eigentlich weg, wenn Sie es in seiner Bedeutung durch „grundsätzlich“ ersetzen könnten. (Auch „grundsätzlich“ gilt es, in dieser Weise zu vermeiden.) In einem anderen Gruß aus der Sprachküche werden wir die angemessene Verwendung von eigentlich erkunden.

Alternative Formulierungen

„Mir geht es gut/nicht gut.“

„Brauchen wir dafür (nicht) die Zustimmung der Geschäftsführung?“

„Lasst uns damit warten.“

Lassen Sie die gesprochene Sprache wie Musik in Ihren Ohren klingen.

Die Idee für dieses Sprachthema stammt aus: Scheithauer, Thilo/Mechthild R. von Scheurl-Defersdorf (Hrsg.): Die Kraft der Sprache. 40 Karten für den Wirtschaftsbereich [Karteikarten], Erlangen: Lingva Eterna Verlag, 2007.

[1] Vgl. „eigen“ in: Duden – Das Herkunftswörterbuch. Bibliographisches Institut 2014. S. 242

[2] Vgl. „eigentlich“ auf Duden online: https://www.duden.de/node/135877/revision/1341195

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